Robin und Maja sind die ersten, die vor dem kleinen Seitentor des DSW Freibades auf ihren Trainer Benny warten. Heute ist das erste gemeinsame Schwimmtraining nach dem Shutdown am 13. März für die Bundesliga-Gruppe des Triathlon Team DSW Darmstadt. „Hoffentlich gewittert es nicht“, sagt Robin, als es zu regnen beginnt und sich dunkle Wolken auftürmen. Die 17-jährige Maja ist sogar schon am Dienstagmorgen um 7.00 Uhr im Frühtraining gewesen.
Drei Doppelbahnen betreut Benjamin Knoblauch, Cheftrainer des Darmstädter Traditionsvereins mittwochabends im DSW Freibad. Nachdem er vor dem ersten gemeinsamen Training alle unterschriebenen Zettel des Hygiene- und Sicherheitskonzeptes eingesammelt, die Namen abgehakt und Hinweise zum Umziehen und Verhalten im Wasser gegeben hat, geht die Gruppe geschlossen ins Bad. Natürlich mit Abstand. Hinweistafeln zum Verhalten im Wasser hängen zudem an der Außenseite der Startblöcke, der Trainingsplan für die Schwimmer gut erkennbar innen. „Schwimmt bitte nicht zum Vordermann auf“ und „bitte an der Wand durchrutschen und weiterschwimmen“, sagt der Pädagoge mehrfach.
„Gestern haben wir Thomas Kipp, den Corona-Verantwortlichen des DSW Darmstadt informiert, dass sich eine Gruppe beim Umziehen viel zu nah gekommen ist und nicht an die Regeln gehalten hat“, erzählt Ann-Kathrin Schmidt, Fachangestellte für Bäderbetriebe. Kipp hat die Schwimmmeister um Kontrolle und Rückmeldung gebeten. Die Gruppe wurde umgehend mit der Gelben Karte verwarnt. „Rot bedeutet Ausschluss vom Trainingsbetrieb“, sagt Schmidt.
„Total platt und schwere Arme“, sagen Jochen Basting und Anuschka Knoblauch nach einer Stunde Wassertraining und 3.000 Schwimmmetern unisono. „Wir sind seit Mitte März nicht mehr geschwommen, auch nicht im See. Aber wird sind happy, dass wir wieder ins Wasser dürfen.“ Beim abschließenden Umziehen am Beckenrand weist Benjamin Knoblauch nochmals darauf hin, dass auch hier der Abstand unbedingt eingehalten werden muss. „Jede Doppelbahn hat einen fest zugewiesenen Umkleidebereich, so dass sich nie mehr als 10 Personen gleichzeitig aus- und anziehen“, sagt er. Sechs solcher Bereiche gibt es auf dem Freibadgelände. Mit nassen Haaren, ungeföhnt und nur mit der Kaltwasser-Dusche draußen das Chlor abgeduscht, gehen die Athleten nach Hause. Aber alle sind froh, überhaupt wieder ins Wasser zu können.
Das Triathlon Team Darmstadt startete seinen Trainingsbetrieb im Schwimmen am Dienstag, 02. Juni. Damit nehmen die Südhessen eine Vorreiterstellung in Hessens Schwimmlandschaft ein. Der DSW Darmstadt ist einer der ersten Vereine, der organisiertes Training für seine Mitglieder anbietet. Grund ist ein 18-seitiges Sicherheitskonzept, das Thomas Kipp, der 1. Vorsitzende bereits Mitte Mai ausgearbeitet hat. Das Konzept bezieht auch eine Handlungsanleitung für den Wiedereinstieg in die Anfängerschwimmkurse mit ein. Thomas Pignede, sportlicher Leiter des Triathlon Team DSW Darmstadt hat dabei mitgewirkt.
HTV: Thomas, das Schwimmen in Hessischen Bädern ist für Sportvereine und Schwimmkurse seit dem 1. Juni wieder erlaubt. Ursprünglich plante das Land Hessen die Wiederaufnahme für den 5. Juni. Wie ist es möglich, dass eure Vereinsmitglieder so schnell wieder im Wasser ihre Bahnen ziehen dürfen?
Thomas Pignede: Wir haben nach den ersten Lockerungen Anfang Mai sofort damit begonnen, ein umfangreiches Hygiene- und Sicherheitskonzept auszuarbeiten. Grundlage war das Konzept des Deutschen Schwimm Verbandes vom 12. Mai. Mit der Stadt Darmstadt, dem Sportamt aber auch dem Land Hessen, der Hessische Innenminister Peter Beuth wurde ebenfalls informiert, haben wir uns abgestimmt und kommuniziert. In die Karten spielten uns sicherlich zwei Tatsachen: Zum einen ist uns das Darmstädter Sportamt wohlgesonnen, Darmstadt hat nicht umsonst einen Top-Ruf als Leistungszentrum für Triathlon und Schwimmen. So ist der Leiter des Sportamtes, Martin Westermann, ebenfalls DSW Mitglied und war mein Vorgänger im Verein. Zum anderen haben wir einen unschlagbaren Vorteil, das DSW Freibad wird zwar von der Stadt betrieben, gehört aber uns als Verein. Thomas Kipp hat eine Schlüsselfunktion übernommen und dient als Corona-Ansprechpartner für die Stadt Darmstadt und den EBB, Trainer*innen sowie Bahnmieter*innen.
HTV: Wer darf dort alles trainieren, darf ich auch privat mit meinem Personal Trainer eine Bahn anmieten?
Wir sind nicht der einzige Verein, der die 5 Doppelbahnen nutzt. Natürlich dürfen alle Mieter und Betriebssportgruppen die Bahnen belegen. Einzeltraining ist aber nicht möglich. Ganz wichtig ist, dass es sich um feste Vereins-Gruppen in immer gleicher Zusammensetzung mit festem Ansprechpartner handelt. Also wenn ich mal nicht am Training teilnehmen kann, darf ich meinen Platz nicht intern weitervergeben. Es soll zu keiner Durchmischung der Sportler kommen.
Was ist vor dem Training zu beachten?
Jeder Sportler muss sich per Google.doc voranmelden. Ich kann nicht kommen, so wie ich gerade Lust habe. Ich muss als Sportler also klar sagen, so jetzt trainiere ich beispielsweise am Dienstag- und Donnerstagabend um 18.00 Uhr und kann nicht spontan zu einer anderen Uhrzeit aufschlagen, für die ich mich vorher aber nicht eingetragen hatte. Zudem müssen alle unsere Athleten vor dem ersten Wassertraining die Anlage 2 „Verhaltens- und Hygieneregeln“ durchlesen, vorab unterschreiben und bei dem ersten Training beim Trainer abgeben. Ohne unterschriebenes Formular darf keiner bei uns ins Wasser.
An welche Regeln müssen sich eure Sportler während des Trainings halten?
Die Sportler werden am Seiteneingang des Bades von ihrem Trainer ca. 15 Minuten vor Beginn abgeholt. Die Gruppe geht mit ausreichendem Abstand zu dem ihr zugewiesenen Umkleidebereich. Wir haben je Doppelbahn einen festen Umkleideplatz, an dem sich die Athleten vorher und nachher umziehen. Es gibt auch für jede Gruppe feste Laufwege. Duschen und Umziehen in den Sammelumkleiden ist nicht erlaubt. Vor dem Training ist die Freiluftdusche zu nutzen. Im Wasser ist der Abstand von 3 Metern nach vorne und hinten, seitlich 2 Metern einzuhalten. Die Handtücher, die zum Abtrocknen verwendet werden, müssen nach einmaligem Gebrauch zu Hause sofort in der Waschmaschine als Kochwäsche gereinigt werden.
Wie viele Athleten können gleichzeitig in einer Gruppe trainieren?
Wir nutzen pro Gruppe eine 50-Meter-Doppelbahn, die mittlere Leine fehlt dabei. Es wird an der rechten Leine hin, an der linken Leine zurückgeschwommen. So kommt sich keiner zu nahe und es wird auch der seitliche Abstand von 2 Metern eingehalten. In unserem Konzept beginnen wir zunächst mit lediglich 10 Schwimmern, maximal sind laut DSV-Konzept 8 Schwimmer je 50m-Bahn zulässig. In unserem Lehrschwimmbecken mit 2 Doppelbahnen sind maximal 20 Sportler erlaubt. Auch hier beginnen wir zunächst mit 10 Sportlern, so dass in Summe im Wasser in beiden Becken 60 Personen aktiv sind.
Wie gestaltet ihr das Training an sich?
Das müssen wir natürlich noch testen, je homogener die Gruppe ist, desto leichter für den Trainer. Ich denke, ein Training mit festen Abgangszeiten mit 50ern und 100ern ist besonders bei heterogenen Gruppen günstig für den Beginn. An der Wand dürfen ja – mit Abstand – nie mehr als 5 Athleten gleichzeitig sein.
Können alle eure Mitglieder ins Wasser und wie oft?
Wir mussten den ursprünglichen Belegungsplan extrem schieben. Aber ja, jeder kann sogar, wenn er möchte, mehr als einmal pro Woche trainieren. Denn wir haben nun 10 Stunden mehr Wasserzeit als vorher. Die Kapazitäten sind da. Die Randzeiten wie morgens ganz früh, spät abends oder am Wochenende nachmittags sind noch nicht ausgebucht. Zudem versuchen wir für unseren Nachwuchs, die Teams der 1. und 2. Bundesliga sowie der Regionalliga noch mehr Training im Wasser zu ermöglichen. Nachwuchsförderung und Triathlonspitzensport stehen bei uns nach wie vor ganz oben auf der Fahnenstange.
Wie ist die Resonanz bei euren Mitgliedern?
Wir haben unsere Mitglieder mit dem frühen Konzept abgeholt. Sie sind alle happy, endlich wieder im Verein schwimmen zu dürfen. Wäre unser Konzept noch nicht fertig gewesen, hätte das DSW Freibad noch zu. Die Traglufthalle wurde von der Stadt Darmstadt bereits Ende März abgebaut.
Welche Rolle hat der Trainer?
Der Trainer hat die verantwortungsvolle Schlüsselfunktion. Er muss überwachen, dass sich jeder Sportler an die Auflagen hält, darf keinen ins Wasser lassen, der nicht das Sicherheitskonzept unterschrieben hat. Er muss bei jedem Training dokumentieren, wer da war und die Listen vier Wochen aufheben. Ganz wichtig ist, dass er neben dem normalen Trainingsablauf wie der Ansage des Programms und Technikkorrekturen permanent ein Auge darauf haben muss, dass sich alle an die Abstandsregeln halten.
Thomas, vielen Dank für deine Antworten. Für unsere Triathlonvereine ist euer Konzept auf jeden Fall eine wertvolle Hilfestellung, wie sie ihre Sportler wieder ins Wasser lassen dürfen.
Thomas Pignede ist im Hauptberuf Software-Entwickler. Neben seinem 40-Stundenjob bringt er sich im Ehrenamt als sportlicher Leiter für das Triathlon Team Darmstadt ein, ist im Bundesliga-Ausschuss und selbst aktiver Triathlet in der Bundesliga. 2019 wurde er Vize-Europameister auf der Langdistanz in Frankfurt und finishte am 12. Oktober bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii.